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12. Berlin Biennale

Diskursprogramm

9.6.–15.9.2022

Das Diskursprogramm wird in Zusammenarbeit mit mehreren Institutionen und Organisationen realisiert: Afrolution Festival, Berlin; Dekoloniale Erinnerungskultur in der Stadt, Berlin; Haus der Kulturen der Welt (HKW), Berlin; La Colonie Nomade, Paris; Technische Universität Berlin

Der von Bénédicte Savoy und Felwine Sarr 2018 veröffentlichte Bericht über die Restitution afrikanischer Kulturgüter hat in Europa ein umfassenderes Gespräch über Kolonialismus angestoßen. Institutionen setzen sich mit ihrem kolonialen Erbe und den gewaltsam in ihre Sammlungen gelangten Objekten auseinander, Regierungen verpflichten sich zur Rückgabe. Das sind erste Schritte der kulturellen Wiederaneignung geraubten Erbes und auch in Richtung Dekolonisierung. Doch wie kann der Wille zur Auseinandersetzung mit der eigenen kolonialen Vergangenheit für eine Gegenwart produktiv gemacht werden, die fest im Griff dessen ist, was Cedric J. Robinson RACIAL CAPITALISM nennt? Robinson beschreibt damit den Kapitalismus als System, das auf der Ausbeutung eines rassistisch konstruierten Anderen basiert.

In den Workshops und Konferenzen des Diskursprogramms der 12. Berlin Biennale kommen Wissenschaftler:innen, Aktivist:innen und Künstler:innen zusammen, um ausgehend von der Restitutionsdebatte zu untersuchen, wie Kolonialismus und Imperialismus in dieser Gegenwart fortwirken. Die Teilnehmer:innen befassen sich mit den Auswirkungen der imperialen Expansion Europas auf die Ökosysteme der Erde. Sie erörtern zeitgenössische Kämpfe und Strategien rund um Feminismen des Südens. Sie untersuchen, wie Rassismus in die Kulturtechniken und universalistischen Ideale der Aufklärung eingebettet ist. Sie setzen die Anliegen von im Globalen Norden lebenden BIPoC auf die Agenda und beschäftigen sich mit antirassistischen Praktiken sowie Routen der Solidarität. Sie fragen, wie die Restitution über die materielle Geste der Rückgabe kultureller Artefakte hinausgehen kann, und wie sich der Umgang mit kolonialen Sammlungen durch handlungsorientierte Forschung verändern lässt. Und schließlich beleuchten sie, wie die algorithmische Governance rassialisierte Zuschreibungen, Verelendung und Ausgrenzung fördert, die mit der digitalen Revolution eigentlich überwunden werden sollten.

Das Diskursprogramm knüpft an den Begriff der Reparatur an, wie ihn Kurator Kader Attia in seiner künstlerischen Praxis entwickelt hat – zunächst von Objekten und körperlichen Verletzungen und schließlich von individuellen und gesellschaftlichen Traumata. Die Reparatur hat sich dabei als eine Möglichkeit kulturellen Widerstands erwiesen, als eine Art der Handlungsmacht, die in unterschiedlichen Praktiken und Wissensformen Ausdruck findet. Es macht diesen Ansatz zum Ausgangspunkt, um die Teilnnehmer:innen und das Publikum in eine kritische Debatte zu involvieren und gemeinsam nach Wegen zu suchen, für das Jetzt Sorge zu tragen.

Kurator: Kader Attia
Beratung: Ana Teixeira Pinto, Felwine Sarr, Rasha Salti, Françoise Vergès, Irit Rogoff, Jean Lassègue, Katrin Becker, Lukas Fuchsgruber, Paola Bacchetta, Ramak Molavi, Rolando Vázquez, Stefania Pandolfo, Tarek El-Ariss, Thomas Oberender, Zakiyyah Iman Jackson