Die Performance INDIVIDUAL AND COLLECTIVE RESISTANCE OF WOMEN DURING THE SHOAH [Individueller und kollektiver Widerstand von Frauen während der Shoah] ist eine Fortsetzung meiner Recherchen und ein Versuch, die Geschichte des Widerstands jüdischer Frauen aus Mittel- und Osteuropa zu dokumentieren. Dazu gehören ihr Umgang mit der harschen Realität und die von ihnen gewählten Strategien und Rollen zur Erschaffung und Weiterentwicklung einer anderen Gesellschaft. Welcher Methoden haben sie sich bedient? Welche Art von sozialen Bindungen hat es ihnen ermöglicht, das Unmögliche zu erreichen? Wie sind sie mit Unterdrückung umgegangen? Und wie können wir dieses Wissen in den Kämpfen nutzen, die wir heute führen?
Die Emanzipation innerhalb von Minderheiten folgt anderen Regeln als in Mehrheitsgruppen. Die Muster lassen sich nicht übertragen; Koalitionen und Allianzen werden aus anderen Gründen eingegangen. Solidarität ist eine Reaktion, keine Entscheidung. Den Menschen, über die ich spreche, war es vor allen Dingen wichtig, Zeugnis abzulegen, egal wie: herausgeschrien vor einer öffentlichen Hinrichtung, niedergeschrieben auf Toilettenpapierfetzen, einer Freundin im Sterben den letzten Willen zuflüsternd ‒ den Willen zu überleben. Nicht als physischer Körper, sondern als Teil einer kollektiven Geschichte, die es weiterzugeben gilt. Jemand / etwas muss überleben. Überleben ist eine Form des Sieges. Ich nehme verschiedene Haltungen ein, um Klischees zu vermeiden.
Biografien aus Bruchstücken wiederherzustellen, ist ein Akt des Protests gegen das, was in den Lehrbüchern steht und weitergegeben wird, um für den Aufbau des Faschismus instrumentalisiert zu werden. Ein anderer Blick auf die Vergangenheit eröffnet eine neue Sicht der Gegenwart und die Chance auf eine offene Zukunft. Mangelnder Widerstand ist nicht nur das Ergebnis von Ohnmacht, sondern auch eine Folge gesellschaftlicher Verhältnisse. Wer darf sich erinnern und für die Abwesenden sprechen? Was kostet das, und nach welchen Regeln wird Wissen weitergegeben? Ist Erinnerungsarbeit wirklich eine Arbeit?
Ich bin Teil der Geschichte. Es ist eine Geschichte von Schwesternschaft über eine lange Zeit hinweg. Es ist ein Versuch, den Dialog durch das Erzählen von Geschichten fortzuführen. Es ist ein Gebot der Menschlichkeit, den Willen jener Heldinnen zu erfüllen, die aus Liebe handelten.
L’chaim! Auf das Leben! Aber zu leben und zu überleben ist nicht genug ‒ ich übernehme und gebe die Geschichte weiter, damit sie wahr werden kann.
Mit Unterstützung von Adam Mickiewicz Institute; The Tarbut Fellowship; Förderfond für Kreativität der ZAiKS
Das Bildmaterial stammt aus den Archiven von Beit Lohamei Haghetaot – Ghetto Fighters’ House Museum, Westgaliläa; Yad Vashem – The World Holocaust Remembrance Center, Jerusalem; Jewish Historical Institute, Warschau; Central Archives of Modern Records, Warschau; Auschwitz-Birkenau State Museum, Oświęcim
Diese Performance ist Teil des Diskursprogramms der 12. Berlin Biennale. Ausgehend von der Restitutionsdebatte untersucht es, wie Kolonialismus und Imperialismus in der Gegenwart fortwirken.