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30.8.2018 | Akademie der Künste (Hanseatenweg), Berlin

I’m Not Who You Think I’m Not #30: 4 Waters-Deep Implicancy

Filmpremiere von Arjuna Neuman und Denise Ferreira da Silva, mit anschließendem Gespräch mit den Autor*innen und Filipa Cesar

"an earthquake is coming" (ein Erdbeben kommt) – Jean-Jacques Dessalines/C. L. R. James

Was in der herkömmlichen Nacherzählung der haitianischen Revolution oftmals vergessen wird, ist das Erdbeben von 1784. Dieses Erdbeben machte Port-Au-Prince dem Erdboden gleich. Darüber hinaus aber, und das ist wichtig, erschütterte es, wenn auch nur für eine Weile, die festgefahrene soziale Ordnung der kolonialen Hierarchie. Sklav*innen, die auf der Suche nach Schutz vor dem Erdbeben in die Berge geflohen waren, wurden sich gemeinsam der Macht bewusst, die sie über die europäischen Herren hatten. Geochaos, Verflüssigung und tektonische Verwerfungen brachten Port-Au-Prince und seine Plantagen zum Erliegen; 20 Jahre später sollte genau das Gleiche noch einmal geschehen, diesmal allerdings aus dem freien Willen der Sklav*innen.

Dieses Erdbeben stellte eine indigene Vorwegnahme der Black Independence und der bevorstehenden Revolution dar, die eindeutig weder französischen noch aufklärerischen Ursprungs war. Auf einer kosmischen Ebene vermittelte das Erdbeben das Wissen um den unmessbaren Moment vor der Trennung, vor der Entstehung des bakteriellen Lebens, als erstes Maß der Zeit – einen Moment oder Zustand, den wir Deep Implicancy nennen.

4 Waters taucht aus diesem tiefen, weichen Zustand auf und beginnt, mit einem Set aus mitgebrachtem, angesammeltem und imaginiertem Wissen, einen Kosmos vor der Entstehung des Lebens abzubilden. In dieser Darstellung studieren und arbeiten wir mit Wasser, den Phasenübergängen von Wasser mit anderer und in andere Materie, insbesondere Leben und/als Nicht-Leben, aber auch mit seiner Fähigkeit, disparate Geographien, Körper aus/im Wasser und vier historisch und kosmisch umstrittene Inseln darin – Lesbos, die Marshallinseln, Haiti und Tiwi – miteinander zu verbinden.

Wir können vom Wasser und seinen Zustandsveränderungen lernen, dass Transformation möglich ist – jene Eigenschaft, die uns allgemein menschlich macht, im spirituell-ethischen Sinne wie auch im Sinne von Arbeitswert (nach Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Karl Marx). Wir können vor allem aber auch etwas lernen von dem radikalen Potenzial, das entsteht, wenn die Transformation von der Zeit entkoppelt wird – eine Absenz, die uns in einem elementaren Sinne mehr-als-menschlich macht.
4 Waters fragt, was aus der Bewegung wird, wenn ihr keine Entwicklung mehr zueigen ist. Was kann ein Mensch ohne seine Krücken aus Lebenszeit, Rhythmus und Maß sein? Und was wird dann erst aus unserer aufgeweichten Ethik, wenn sie von der Form losgelöst ist, die ihre Werte bestimmt?