Projekte
English / Deutsch

Schinkel Pavillon

Masist Gül

Kuratiert von Banu Cennetoğlu und Philippine Hoegen

23.5.–8.5.2008

Die Ausstellung zeigte Künstlerbücher, Gemälde und Dokumente von und über Masist Gül.

Masist Gül (* 1947 in Istanbul, † 2003 in Istanbul) war unter anderem Bodybuilder, Dichter und Maler, auch wenn er hauptsächlich als türkischer Schauspieler armenischer Herkunft in Erinnerung bleibt, der während seines Lebens kleinere Rollen in über dreihundert Filmen spielte. Er hinterließ eine Vielzahl von Collagen, Zeichnungen und Gedichten, das meiste davon nach wie vor völlig unbekannt. Das ambitionierteste Werk des Autodidakten ist Kaldırım Destanı – Kaldırımlar Kurdunun Hayatı (Rinnsteinmythen – Das Leben des Rinnsteinwolfs), eine sechsteilige Fortsetzungsgeschichte im Stil eines handgefertigten Comicbuches, die in den 1980er Jahren entstand, zu Lebzeiten Güls jedoch niemals publiziert wurde. Jeder dieser sechs Bände beginnt mit einer Art Gedicht, in dem die Handlung – immer Geschichten vom Kampf zwischen Gut und Böse – zusammengefasst wird. Der Zyklus, dessen letzter Band unvollendet blieb, schildert in Erinnerungssequenzen die Geschichte von Kaldırım Fahri (Rinnstein-Fahri) und verwebt diese Rückblicke zu einem Narrativ, das sich über den Zeitraum von 1905 bis 1978 erstreckt: von der Kindheit Fahris in den Klauen einer bösen Hexe bis zur Bezwingung der Hexe und Fahris Aufstieg von der Kanalratte zum Rinnsteinwolf, dem Beschützer der Armen und Ausgestoßenen.

Güls Rinnsteinmythen wurden 2006 durch den von Banu Cennetoğlu selbstorganisierten Kunstraum BAS wiederentdeckt und von Banu Cennetoğlu und Philippine Hoegen in ihrer gemeinsamen Künstler*innenbuchreihe Bent in Istanbul als Faksimile zum ersten Mal öffentlich zugänglich gemacht und so vor dem Vergessen bewahrt. Nach Istanbul und Brüssel war dies die dritte Station, an der Cennetoğlu und Hoegen auch Güls Kunstwerke, Notizbücher und andere Objekte aus seinem Nachlass präsentierten.

Die vielfältigen Bezüge zwischen den Rinnsteinmythen und der Person Güls wurden in seinen Büchern und anderen Arbeiten sichtbar, und die Verfahren der Konstruktion von Identität gerieten dort in den Blick, wo die Grenzen zwischen Gül und dem Rinnsteinwolf durch die ihnen gemeinsame Bodybuilder-Physis und Beschützerfunktion verwischten.