Lehrter Straße 60, 10557 Berlin
Ehemaliges Gerichtsgebäude Lehrter Straße, 2025, Foto: Raisa Galofre
Ausstellungsort der 13. Berlin Biennale
Das ehemalige Gerichtsgebäude Lehrter Straße steht seit 2012 leer und wird im Rahmen der 13. Berlin Biennale erstmals als Ort für zeitgenössische Kunst in Berlin zugänglich gemacht.
Der Backsteinbau wird 1902 als Erweiterungsbau der Nördlichen Militärarrestanstalt in der Lehrter Straße fertiggestellt und durch eine Verbindungsbrücke, die unter den Häftlingen in Anlehnung an die venezianische Brücke als „Seufzerbrücke“ bekannt ist, mit dem Gefängnisgebäude der Lehrter Straße 61 verbunden.
Eines der bekanntesten Verfahren, die hier geführt werden, ist der Prozess gegen Karl Liebknecht im Jahr 1916. Liebknecht wird wegen seiner Teilnahme an einer Antikriegsdemonstration verhaftet, zunächst in das benachbarte Gefängnis verlegt und zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach seiner Freilassung hält Liebknecht eine seiner ersten Reden in den Sophiensælen.
Der Gebäudekomplex dient später als militärisches Ausbildungszentrum sowie mit Wiedereinführung der Militärjustiz durch die NSDAP als Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis. Einschusslöcher an der Fassade lassen vermuten, dass hier heftige Kämpfe zwischen der deutschen Wehrmacht und der Roten Armee stattgefunden haben müssen. Nach Kriegsende befindet sich der Gebäudekomplex auf dem Gebiet der Bundesrepublik. 1950 zieht das Strafvollzugsamt in das Gerichtsgebäude, das angrenzende Gefängnis wird bis Mitte der 1980er Jahre als Justizvollzugsanstalt für Frauen genutzt. Zu den bekanntesten Insass*innen zählen Mitglieder der Rote Armee Fraktion. Nicht zuletzt wegen schlechter Haftbedingungen kommt es zu Protestaktionen, Fluchtversuchen und Ausbrüchen von Inhaftierten, Mitarbeiter*innen kündigen aus Solidarität.
Zuletzt wird das Gebäude als Zweigstelle des Amtsgerichts Tiergarten genutzt. In Vorbereitung auf die 13. Berlin Biennale wird die Struktur der Dienstzimmer nicht verändert. Sie erzählen nach wie vor von den Bedingungen des Rechts.
Die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt plant, das Gebäude im Anschluss zu einem künstlerischen Produktionsort für die Freie Szene Berlins zu entwickeln.